Wie und warum verlaufen Kontrolluntersuchungen?

Nach der Diagnosestellung einer Hypophysen- und/oder Nebennierenerkrankung und Einleitung einer möglichen Therapie sind gerade in der Anfangszeit engmaschige Kontrollen erforderlich. Obwohl sich Erkrankungen im Bereich der Nebenniere und im Bereich der Hypophyse in ihrer Form und Ursache unterscheiden, ist die Behandlung teilweise ähnlich und die Patienten haben mit gleichartigen Problemen zu kämpfen.

Unterscheidung zwischen Nebennieren- und Hypophysenerkrankungen

Von der Begrifflichkeit her unterscheidet man Erkrankungen, die zu einer Unterfunktion der Nebennieren (Nebenniereninsuffizienz) führen, von den Erkrankungen, die ihren Ursprung im Bereich der Hirnanhangsdrüse haben. Ein Ausfall der Nebenniere entsteht am häufigsten durch einen Autoimmunprozess. Dabei kämpft die körpereigene Immunabwehr gegen den eigenen Körper, in diesem Fall die Nebenniere, an. Dann spricht man von einer primären Nebenniereninsuffizienz. Das Organ selbst ist betroffen und fällt aus.
Bei einem sekundären Ausfall (Insuffizienz), besteht ein Ausfall der Hirnanhangsdrüse, dem übergeordnetem Zentrum. Die Zielorgane sind gesund, können aber aufgrund der fehlenden Hormonproduktion in der Hypophyse nicht aktiviert werden. Ursache ist häufig ein gutartiger Tumor, ein Zustand nach einer Hypophysenoperation, Schädelverletzungen, Unfällen, Durchblutungsstörungen oder einer Infektion.

Befinden und Medikation

Die wichtigste Frage, die sich in der Kontrolluntersuchung stellt, ist: „Wie geht es dem Patienten?“ Das klinische Befinden steht im Vordergrund! Mit welchen Schwierigkeiten kämpft er, was bereitet ihm Kummer?

Da ein Ausfall des Stresshormons (Cortisol) durch eine primäre oder sekundäre Nebennierenschwäche zu einer lebensbedrohlichen Krise (Addison-Krise) führen kann, ist es überaus wichtig zu erkennen, ob ein Patient mit seiner Medikation gut zurechtkommt. Zusätzlich möchte man die individuell benötigte Medikamenten-Dosis im Alltag herausfinden.

Leider gibt es keinen Laborwert, der uns Auskunft gibt, ob unser Patient zu viel oder zu wenig Cortison einnimmt. Die Dosierung richtet sich ausschließlich nach dem klinischen Bild! Eine Gewichtszunahme oder Schlafstörungen können Zeichen für eine Überdosierung sein. Müdigkeit, Erschöpfung, Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust können auf eine Unterdosierung hinweisen. Das macht eine Einstellung häufig schwierig.

Da bei der primären Nebenniereninsuffizienz alle Hormone ausfallen, so auch das Hormon Aldosteron, welches als sogenanntes Mineralcorticoid den Blutdruck sowie die Blutsalze (Elektrolyte = Natrium, Kalium) reguliert, muss auch dieses ersetzt werden. Die Messung, ob genügend Mineralcorticoid (Fludrocortison = Astonin H = Florinef) eingenommen wird, kann durch die Bestimmung des Hormons Renin und der Blutsalze (Natrium, Kalium) ermittelt werden. Ein hohes Renin, ein erniedrigtes Natrium, ein erhöhtes Kalium oder ein deutlich erniedrigter Blutdruck sprechen für eine Unterdosierung.

Bei einer sekundären Nebenniereninsuffizienz ist eine Therapie mit einem Mineralcorticoid nicht notwendig.

Eine für uns sehr wichtige Frage ist, ob unser Patient in der Lage ist, die Hydrocortisonmedikation im Notfall zu steigern? Weiß er, wann und wie er die Medikation steigern muss? Gab es in der letzten Zeit eine Situation, in der er die Medikation erhöhen musste? Was war der Auslöser? Konnte er die Situation alleine gut meistern oder braucht er Hilfe? Trägt er einen Notfallausweis, ein Notfallzäpfchen (Rectodelt) oder eine Notfallinjektion bei sich? Sind Angehörige und Freunde über seine Erkrankung informiert?

Weitere Aspekte

Liegt eine primäre, autoimmunbedingte Nebenniereninsuffizienz vor, möchten wir bei einer Kontrolle zusätzlich weitere mögliche Autoimmunerkrankungen wie z. B. eine primäre Schilddrüsenunterfunktion (Hashimoto-Thyreoditis) nicht übersehen. Klagt der Patient über ein vermehrtes Durstgefühl, muss ein Diabetes mellitus ausgeschlossen werden. Ein Ausfall der Regelblutung bei jüngeren Frauen kann ein Hinweis auf das Vorliegen einer Autoimmunerkrankung im Bereich der Eierstöcke sein.

Besteht bei dem Patienten ein Zustand nach Operation eines Tumors in der Hirnanhangsdrüse mit einem kompletten Ausfall der Hormone des sogenanntes Hypophysenvorderlappens, wollen wir erfahren, ob er auch bezüglich der anderen Hormonausfälle medikamentös gut eingestellt ist. Bekommt der Patient aufgrund einer sekundären Schilddrüsenunterfunktion ein Schilddrüsenhormon (L-Thyro- xin), ist hier immer die Bestimmung der Schilddrüsenwerte, die im Blut ankommen (fT4 und fT3), zwingend notwendig. Durch den Ausfall der Hirnanhangsdrüse ist das TSH, das dort gebildet wird, immer erniedrigt oder liegt im unteren Normbereich. Das TSH ist aus diesem Grunde zur Beurteilung der Therapie nicht geeignet. Bei der sekundären Schilddrüsenunterfunktion müssen fT3 und fT4 im Normbereich liegen. Eine Erniedrigung dieser Werte zeigt die Unterdosierung der Schilddrüsenmedikation an.

Wurde der Patient an der Hypophyse operiert, sollte eine Kernspintomografie von der Hypophyse (MRT) ein halbes Jahr nach der Operation erfolgen. Anschließend sind bei einem unauffälligen Befund erneute Bildgebungen nach 2–3 Jahren sinnvoll.

Bestand bei dem Patienten ein hormonabhängiger Tumor (z. B. Produktion von zu viel Cortisol = Morbus Cushing oder einem Tumor, der zu viel Wachstumshormon produziert hat = Akromegalie), möchten wir wissen, ob trotz der Operation noch eine Hormonüberproduktion stattfindet. Oder ob der Körper im Verlauf erneut ein Zuviel an Hormonen produziert (Rezidiv).

Für eine erfolgreiche Operation eines Morbus Cushing spricht, dass es nach der Operation zu einem Ausfall von ACTH und Cortisol kommt und der Patient an einer sekundären Nebennierenschwäche leidet und Hydrocortison einnehmen muss.

Wurde ein Cortisol-produzierender Tumor in der Nebenniere entfernt, kommt es, obwohl nur eine Nebenniere entfernt wurde, ebenfalls zu einem Ausfall von ACTH und Cortisol. Das liegt daran, dass die normale Hormonbildung in der Hirnanhangsdrüse und der verbliebenden gesunden Nebenniere über die Jahre durch die vermehrte Hormonbildung unterdrückt wurde und sich erst wieder erholen muss. Um festzustellen, ob die Nebenniere ihre Cortisol-Produktion wieder aufgenommen hat, wird ein ACTH-Test durchgeführt.
Da es häufig mehrere Jahre dauert, bis die Diagnose eines Cushing-Syndroms gestellt wird, müssen die daraus möglicherweise entstandenen Folgeerkrankungen (Diabetes mellitus, Bluthochdruck, Osteoporose) die durch ein jahrelanges Zuviel an Cortisol hervorgerufen wurden, kontrolliert und gegebenenfalls behandelt werden. Eine Messung zur Osteoporosediagnostik ist alle 2 Jahre sinnvoll.

Nach der Operation eines Hypophysentumors, der ein Zuviel an Wachstumshormonen produziert hat(Akromegalie), ist, neben der Bestimmung der Hormone IGF1 (Insulin-like growth factor) sowie GH (STH), wieder die Frage nach dem Befinden wichtig. Ein ausgeprägtes Schwitzen lässt vermuten, dass erneut vermehrt Wachstumshormon produziert wird. Dann sollte ein Zuckerbelastungstest zur Diagnosestellung durchgeführt werden. Nach der Gabe einer zuckerhaltigen Lösung wird beim Gesunden die Ausschüttung des Wachstumshormons unterdrückt, jedoch nicht bei einer erneuten vermehrten Bildung von Wachstumshormon.

Da die Diagnose einer Akromegalie häufig erst mehrere Jahre nach Eintritt der Erkrankung festgestellt wird, sind auch nach einer erfolgreichen Operation einer Akromegalie verschiedene Kontrolluntersuchungen anzuraten. Oft treten Darmpolypen auf, sodass eine Darmspiegelung erfolgen sollte. Aufgrund der möglichen Vergrößerung innerer Organe ist im Verlauf immer ein Belastungs-EKG sowie ein Ultraschall des Herzens zu empfehlen.

Zusammenfassend ist zu sagen, dass bei allen Kontrolluntersuchungen, neben den erhobenen Laboruntersuchungen, das persönliche Befinden des Patienten immer im Vordergrund steht.

Dr. Julika Lübbren
Fachärztin für Innere Medizin, Endokrinologie und Diabetologie
MEDICOVER
Hausvogteiplatz 3-4
10117 Berlin