Kraniopharyngeom

Das Kraniopharyngeom ist ein seltener Fehlbildungstumor, der im Kindes- und Jugendalter mit einem Häufigkeitsgipfel im 10. Lebensjahr und im Erwachsenenalter mit einem Gipfel im Alter von 40–50 Jahren diagnostiziert wird.

Ursache

Abbildung 1: Gewichtsentwicklung in Abhängigkeit vom Ursprungsort des Kraniopharyngeoms. Bei beiden Patientinnen gelang die komplette operative Entfernung des Kraniopharyngeoms (siehe Pfeile). Die Patientin aus Abb. 1b entwickelte ein ausgeprägtes Übergewicht aufgrund von Essstörungen, bedingt durch die Nähe des Kraniopharyngeoms zu hypothalamischen Hirnabschnitten (Abb. 1c). Die Patientin aus Abb. 1a bot im bildgebenden Verfahren MRT bei Diagnose einen nur kleinen Tumor (Abb. 1d) und nach Operation normales Essverhalten und ein Normalgewicht.

Das Kraniopharyngeom ist eine Fehlbildung, die vom Gewebe ausgeht, das in seiner Entwicklung bereits embryonal, das heißt noch vor der Geburt gestört wurde. Die Gründe für diese Störung sind bislang nicht bekannt. Der auf kernspintomographischen Bildern sichtbare Tumor ist also keine bösartige Geschwulst, sondern eine Art Fehlbildung. Allerdings liegt das Kraniopharyngeom in direkter Nähe zu Gehirnanteilen, die sehr wichtig sind für die körperliche und geistige Entwicklung. Die Nähe zu Sehnerven kann zu Sehbeeinträchtigungen bis hin zum Sehverlust führen.

Benachbarte Hirnanteile wie Hirnanhangdrüse (Hypophyse) und Hypothalamus, die zentralnervöse Region des Zwischenhirns, sind für die Bildung vieler Hormone verantwortlich, die Wachstum, Gewichtsregulation, Pubertätsentwicklung und Flüssigkeitshaushalt bestimmen. Häufig bestehen die ersten Beschwerden der Patienten in Ausfallerscheinungen dieser Hormone, die durch das Kraniopharyngeom hervorgerufen werden. Darüber hinaus werden in direkter Nachbarschaft zum Kraniopharyngeom Eiweiße im Gehirn gebildet, die für den Tag-Nacht-Rhythmus, die Konzentrationsfähigkeit und das Essverhalten der Patienten eine wichtige Rolle spielen. Die langfristige Lebensqualität vieler Patienten wird durch die lebenslang notwendige Hormoneinnahme und ein hypothalamisch bedingtes ausgeprägtes Übergewicht beeinträchtigt.

Symptome

Das klinische Bild bei Erstdiagnose wird häufig von unspezifischen Symptomen und Beschwerden wie z.B. gesteigertem Druck innerhalb des Schädels (Kopfschmerzen, morgendliches Nüchternerbrechen) dominiert. Weitere Zeichen sind Sehstörungen (62–84%) und endokrine Ausfälle (52–87%). Endokrine Ausfälle betreffen die hypothalamisch-hypophysären Hormonachsen für Wachstumshormon (75%), Gonadotropine (40%), ACTH (25%) und TSH (25%). Ein Diabetes insipidus neurohormonalis besteht vor einer Operation bei 17% der betroffenen Patienten. Störungen der Pubertätsentwicklung äußern sich als vorzeitige (Pubertas präcox) oder verspätete bzw. ausbleibende Pubertätsentwicklung (Pubertas tarda). Die Auswertung der Vorgeschichten von Kraniopharyngeom Patienten ergab, dass Beschwerden in der Vorgeschichte häufig bereits lange vor Diagnose angegeben wurden (im Schnitt 12 Monate vor Diagnose). Eine Analyse der Körpermaße, die im Rahmen von Vorsorgeuntersuchungen von 90 Kindern mit Kraniopharyngeom erhoben wurden, bei denen dieses Krankheitsbild später diagnostiziert wurde, ergab folgendes: Eine krankhafte Wachstumsrate war bereits am Ende des ersten Lebensjahres als Frühsymptom nachweisbar.

Diagnose

Abbildung 2: Kernspintomographische (MRT) und computertomographische (CT) Bilder von Kraniopharyngeom-Patienten und Normalbefunde. In Abb. 2b ist mit Pfeil im Vergleich zum Normalbefund (Abb. 2.a,c) ein zystisches Kraniopharyngeom dargestellt, das im CT (Abb. 2d) Verkalkungen aufweist.

Zur Diagnosestellung und Vorbereitung des operativen Eingriffs wird die Durchführung einer Kernspintomographie (MRT) und meist auch einer Computertomographie (CT) notwendig.

Beim MRT liegt man in einer Art „Röhre“, um die ein starkes Magnetfeld erzeugt wird. Eine Strahlenbelastung besteht nicht. Schädliche Nebenwirkungen des MRTMagnetfeldes sind nicht bekannt. Nachteile des MRTs bestehen darin, dass die Untersuchungszeit, in der man bewegungslos in der Röhre liegen muss, für Kinder oft zu lang ist. Hier wird eine Untersuchung in Narkose notwendig. Für einige Patienten, besonders wenn starkes Übergewicht besteht, führt die Enge in der Röhre häufig zu Ängsten, die eine MRT-Untersuchung an einem offenen Gerät notwendig machen. Die Computertomographie (CT) stellt eine Strahlenbelastung dar, ist aber häufig notwendig, um Verkalkungen nachzuweisen, die im MRT nicht darzustellen sind. Insofern sollten CT-Untersuchungen so geplant werden, dass nur das Kraniopharyngeom abgebildet wird und das normale Gehirn und im Besonderen die Linsen der Augen ausgespart werden.

Behandlung und Therapie

Es gibt durchaus Fälle, in denen das Kraniopharyngeom zufällig diagnostiziert wird, z.B. im Rahmen einer CT- oder MRT-Bildgebung aus ganz anderen Gründen. Beim Kraniopharyngeom handelt es sich nicht um einen bösartigen Tumor, sondern um eine Fehlbildung, deren Wachstumsverhalten insbesondere bei Zufallsdiagnose nur schwer vorherzusagen ist. In Einzelfällen kann es daher gerade bei zufälliger Diagnose und sonstiger Beschwerdefreiheit sinnvoll sein, zunächst das weitere Wachstumsverhalten mit MRT zu kontrollieren, bevor man sich zur Therapie (Operation, Strahlentherapie) entschließt.

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