Rehabilitation als Addison-Patientin

Eine Betroffene entschloss sich zu einer psychosomatischen Reha. Und berichtet hier von ihren Erfahrungen.

Der Weg zur Reha
Vor fast 19 Jahren wurde mir Morbus Addison diagnostiziert, vor 16 Jahren hatte ich die erste schwerere Depression, seitdem begleiten mich beide Erkrankungen. Ende 2016 beantragte ich das zweite Mal die Anerkennung eines Grades der Behinderung. Da ich mich mittlerweile sehr gut auskenne mit den Erkrankungen, beschrieb ich im Frühjahr 2017 in einem zwölfseitigen Widerspruch die für mich entstehenden Einschränkungen durch beide Erkrankungen. Dabei ging ich auch auf die in meinem Fall bestehenden Verbindungen ein bzw. dass sie sich gegenseitig verstärken. Aufgrund einer im Rahmen einer Studie festgestellten verzögerten Aufnahme des Hydrocortisons konnte nach einer Begutachtung in meinem Einzelfall ein Grad der Behinderung von 20 für den Morbus Addison empfohlen werden. Zusammen mit den Depressionen und Ängsten bekam ich dann im Spätsommer 2017 einen Bescheid über einen Grad der Behinderung von 50.

Der Kampf um diesen für mich wichtigen Status (ich kann nur Teilzeit arbeiten, die üblichen Urlaubstage reichen zur Erholung nicht mehr aus usw.), eine langwierige problematische Situation am Arbeitsplatz und andere Belastungen führten letztendlich zu einer tiefen Erschöpfung, weiterem sozialen Rückzug und dem Eindruck, mich nicht mehr selbst aus diesem Kreislauf ziehen zu können. Daher entschloss ich mich im Herbst 2017 dazu, eine psychosomatische Rehabilitation zu beantragen. Vielleicht aufgrund des Schwerbehinderten-Status ging der Antrag ohne ärztlichen Befund direkt durch.

In dieser Rehabilitation wollte ich auch die bei mir entstandenen Ängste und Sorgen in Folge der notwendigen Hydrocortisonsubstitution, also der Ersatztherapie, bearbeiten. Daher hatte ich mir eine Rehaklinik ausgesucht, die zusätzlich auch eine kardiologische Abteilung hat, die sich mit dem Thema Psychokardiologie beschäftigt, das heißt z. B. mit Ängsten in Folge einer Herzerkrankung. Ich hoffte hier auf ein tiefergehendes Verständnis meiner Folgen durch den Morbus Addison. Im Vorfeld der Beantragung fragte ich bei der Chefärztin der psychosomatischen Abteilung an, ob ich trotz dieser Nebenindikation aufgenommen werden könne und erklärte auch, dass eine endokrinologische Behandlung nicht notwendig sei, da ich selbst gut substituieren könne. Ich bekam die Zusage der Chefärztin, schlug im Rahmen des Wunsch- und Wahlrechts schon bei der Beantragung diese Rehaklinik vor und erhielt die Zusage für die Klinik.

Ablauf der Reha
Als ich dort ankam, war ich sehr angespannt, weil ich in Folge von Vertretungssituationen inhaltlich und zeitlich mehr arbeiten musste und mich in den letzten Wochen immer wieder zusammengerissen hatte. Gleichzeitig war ich zutiefst erschöpft. Aber ich dachte, ich müsste mich nur weiter zusammenreißen, mein Hydrocortison erhöhen und jetzt soviel wie möglich Sport machen, um den Körper und die Seele wieder in Bewegung zu bringen. Ich war ein bisschen enttäuscht, dass ich nicht gleich Nordic Walking, Wandern usw. machen durfte und verstand erst in der dritten Woche, dass man mich extra ausbremste, damit ich aus diesem Hamsterrad aussteigen konnte. Ich beobachtete wie immer meine Erschöpfungszustände und stellte fest, dass ich gar nicht mehr wusste, wann es eigentlich normal ist, müde und kaputt zu sein. Und dass die Menschen um mich herum unterschiedlich schnell erschöpft waren, von unterschiedlichen Therapien. Und dass das für sie in Ordnung ist. Wo ich doch immer an mir zweifelte ... Hier muss bei mir eine andere Bewertung der Erschöpfung her.

An freien Tagen komme ich mit 20 mg Hydrocortison ganz gut hin, an Arbeitstagen muss ich aber mindestens 10 mg mehr nehmen. Jetzt versuchte ich mit den 20 mg hinzukommen und je nach Therapie zu erhöhen, nicht mehr wie an Arbeitstagen schon im Vorhinein. Ich hatte schlechte Tage, an denen ich mich trotz Erhöhung der Dosis durch die späten Therapien schleppte, furchtbar ausgelaugt war und Kopfschmerzen bekam. Nachdem ich dann die Erlaubnis bekam, schwänzte ich auch mal, wenn es nicht mehr ging. Ich hatte aber auch solche Tage, die weniger vollgepackt waren und an denen ich mit geringer Erhöhung in meinem Tempo mehr als sechs Kilometer wanderte, ohne danach erschöpft im Sinne einer Unterdosierung zu sein. Diese Erfahrungen besprach ich mit einer Internistin der kardiologischen Abteilung, die sich auf mein Krankheitsbild eingestellt hatte.

Bei diesen Wanderungen war der Weg das Ziel. Ich traue mir oft sportliche Belastungen, gerade nach einem anstrengenden Arbeitstag, nicht mehr zu, weil ich Angst vor einer sehr starken Unterdosierung oder gar Addisonkrise habe. Nüchtern betrachtet brauche ich das nicht: Ich habe immer Tabletten und das Notfallset bei mir, kann auch subkutan, das heißt unter die Haut spritzen und habe es auch schon getan. Trotzdem sind diese Ängste oder Sorgen da. Ich versuchte sie während dieser Wanderungen, meistens alleine, am Wochenende, auszuhalten, um andere Erfahrungen zu machen. Das war natürlich auch Thema in den psychologischen Therapien: z. B. Vertrauen in meinen Körper entwickeln, dass er trotz des Morbus Addisons auch körperlichen Belastungen standhält, wenn er die richtige Menge Hydrocortison und Erholungspausen bekommt.

Bei der Erholung hat mir die progressive Muskelentspannung, vor allem aber die Achtsamkeitstherapie geholfen. Z. B. mit dem Bodyscan kam ich ins Hier und Jetzt. Die Konzentration darauf, wie sich der Körper in der Berührung zum Boden oder Stuhl anfühlt usw. lenkt die Aufmerksamkeit auf den Moment und führt, wie auch immer zur Entspannung, der Stresslevel sinkt. Und das können wir Hydrocortisonsubstituierende doch gut gebrauchen, oder? Allerdings ist die Umsetzung dieser Erfahrung in den Alltag schwierig, da der Stress mich schnell wieder eingeholt hat und ich doch oft andere Anforderungen wie z. B. die Hausarbeit vorziehe.

Ein Test ergab, dass ich kein Morgentyp bin und mindestens 7 Stunden Schlaf brauche. Die Therapien während der Rehabilitation fingen meistens erfreulicherweise erst nach 8 Uhr an, ein oder zwei Stunden später ging leider selten. Mit dem Schlafen schaffte ich das meistens, zuhause aber nur an freien Tagen oder wenn ich später mit der Arbeit anfing. Aus betrieblichen Gründen hatte ich schon zwei Tage in der Woche erst um 10 Uhr mit der Arbeit begonnen und festgestellt, dass ich dadurch oft mit 5 mg Hydrocortison weniger zurechtkommen konnte und mich wohler fühlte. Ich bekam also die Empfehlung, meinen Arbeitsbeginn grundsätzlich auf 9 oder 10 Uhr zu verschieben (was bei Teilzeit natürlich einfacher ist). Davon muss ich nun noch meinen Arbeitgeber überzeugen und ich hoffe, dass mir der Schwerbehindertenausweis dabei hilft.

Fazit
Ich fühlte mich in dieser Rehaklinik sehr gut aufgehoben. Am Anfang habe ich wie bei jedem neuen Arzt viel zu dem Morbus Addison erzählt und Informationen gegeben. Man hat sich sehr gut darauf eingestellt, z. B. indem ich als Stationsärztin eine Internistin bekam und somit an beiden Abteilungen angeschlossen war. Ich durfte meine Hydrocortison-Dosis ganz alleine bestimmen und habe außerdem zur Sicherheit mein Notfallset auch den Schwestern vorgestellt, damit jede mit dem Begriff Addisonkrise etwas anfangen konnte. Nutzen musste es erfreulicherweise niemand.

Ich konnte also die Vorteile der psychosomatischen Rehabilitation (z. B. unbedingt notwendige sechs Wochen, Therapien für die Depressionen usw.) mit einer Unterstützung bei der Krankheitsbewältigung des Morbus Addison nutzen. Mir hat es sehr gutgetan! Ich habe mir eine Wiederholung, diesmal nach weniger als sieben Jahren, vorgenommen, um dauerhaft meine Erwerbsfähigkeit zu sichern!