Hausrenovierung und Cortisondosierung – eine Erfolgsgeschichte

In der aktualisierten Netzwerk-Broschüre „Cortisol-Ersatztherapie bei unzureichender Cortisol-Eigenproduktion wegen einer Hypophysen- oder Nebennierenerkrankung” wird auf die Bedeutung einer Dosisanpassung des Cortisons bei mentaler bzw. psychischer Belastung hingewiesen. Dies kann ich nur unterschreiben. Als Beispiel wird Examen und Trauerfall angeführt.
Hier kann ich von meiner Erfahrung als „Bauleiterin” anlässlich unserer Hausrenovierung berichten. Dieser „Ausnahmezustand entsprach von der Belastung her durchaus einem 14-tägigen Staatsexamen.

Vorab: Seit 2011 ist bei mir eine primäre Nebenniereninsuffizenz, ein Morbus Addison bekannt.

Ich bin auf 6 mg Prednisolon pro Tag, dazu eine halbe Astonin H, eingestellt. Das entspricht laut Umrechnungsfaktor 5 ungefähr 30 mg Hydrocortison. Damit komme ich im üblichen Alltag meistens aus. Eine niedrigere Dosierung, wie in der Literatur empfohlen: 4 bis 5 mg Prednisolon pro Tag, ist für mich dagegen noch nicht erreichbar.

Die Herausforderung

Nun aber standen wir im Herbst
2014 vor einer doch größeren Herausforderung. Nach 20 Jahren im Reihen-Häusle wohnend war eine umfassende Innen-Renovie- rung angesagt. Für diese veranschlagten wir zwei Wochen.
Denn sämtliche Wände, inklusive Waschküche im Keller mussten gestrichen und teilweise auch neu tapeziert werden, dazu mehrere Böden herausgerissen und mit neuen Belägen ausgestattet werden.

Mein Mann und ich sind handwerklich weitgehend talentfrei, beide inzwischen 60 + und ich mit meiner chronischen Erkrankung körperlich nicht mehr belastbar. So beauftragten wir einen Handwerksbetrieb, der sowohl Malerarbeiten als auch Verlegen der Bodenbeläge ausführen kann.

Nach den ersten Vorab-Terminen im Frühjahr mit dem Meister mit Ausmessen, Besprechungen, Aussuchen der Bodenbeläge etc. war schnell klar, dass wir in der Zeit der Renovierung nicht zuhause wohnen konnten. Ich hatte daher rechtzeitig für die eingeplanten zwei Wochen eine Ferienwohnung im Nachbardorf gemietet.

Die Terminkoordination war nicht ganz einfach: Handwerker, Sohn (er studiert auswärts, er konnte nur in den Semesterferien), Ferienwohnung .... alles musste aufeinander abgestimmt werden.
Bereits im Vorfeld war ich wochenlang mit Aussortieren, Wegwerfen und Organisieren beschäftigt. Dazu kam die genauere Planung: Was kommt wohin usw.?

Denn es musste ja alles, was nicht niet- und nagelfest war, entweder in den Keller oder auf den Speicher. Hier konnten wir uns ganz auf unseren erwachsenen Sohn verlassen, der geschuftet und geschleppt hat wie ein Bär. Mein Mann unterstütze ihn tatkräftig: sein Arbeitszimmer ausräumen, Lampen und Regale abschrauben etc. Ich managte die restlichen körperlich leichteren Aufgaben.
All die Vorarbeiten bewältigte ich jedoch meist mit meiner üblichen Cortison-Dosierung von 6 mg Prednisolon. Ganz selten wurde mir alles zu viel, dann lag ich abends grübelnd wach.

ABER ERSTAUNLICH: Nach Einnahme von 0,5 bis 1mg zusätzlichem Prednisolon konnte ich gut einschlafen. Kortison als Schlafmittel ist eher ungewöhnlich, aber mir hatte es geholfen.

Renovierung mit vielen Hindernissen

Am Tag des Umzugs in die Ferienwohnung Ende September nahm ich bereits morgens 2 mg Prednisolon zusätzlich.
Am Abend fiel ich trotz der erhöhten Dosierung kurz nach 20 Uhr todmüde ins Bett.
Am nächsten Tag begann ich mit der üblichen Dosierung. Aber diese sollte nicht ausreichen.

Die Handwerker kamen am Montag früh sehr pünktlich und begannen zügig mit den Malerarbeiten. Unser Sohn war in der Wohnung geblieben und half mit Möbelrücken, um- und ausräumen etc. Eine Heidenarbeit, die während der ganzen Zeit immer wieder nötig war.
Am gleichen Abend kam dann schon die erste Hiobsbotschaft: Die bestellten Fliesen für die Böden waren nicht mehr lieferbar ...
HILFE! Was nun? Der Chef kam nach Feierabend noch in der Ferienwohnung vorbei und wir suchten auf die Schnelle neue Fliesen aus. Und mussten hoffen, dass diese auch in der zweiten Woche zeitgerecht geliefert werden würden. Zunächst war nämlich von einer Lieferung „in ca. drei Wochen” die Rede .... Aufregung pur, denn die Ferienwohnung war natürlich nach den zwei Wochen nicht mehr frei ... Nun, der Chef machte genügend Druck um eine Zusage der Lieferung für die zweite Woche einzuhalten. Aber die Anspannung war sehr groß, würde das auch klappen ...?
Da war wieder eine Zusatzdosierung nötig: 1,5 mg Prednisolon.

Die weiteren Arbeiten verliefen zunächst weitgehend nach Plan, dennoch gab es immer wieder Anrufe der Handwerker oder unseres Sohnes mit Fragen und Anliegen, die ein anhaltendes und deutlich erhöhtes Anspannungsniveau bei mir zur Folge hatten.
Daher beschloss ich in der gesamten Zeit der Renovierung auf 7,5 mg Prednisolon zu bleiben. Dies ist die Cushing-Schwellendosis für Prednisolon, darüber hinaus wollte ich nicht erhöhen um keine Cushing-Symptome zu entwicken.
Damit konnte ich dann auch die meisten Belastungen gut abfangen. An insgesamt drei Tagen bemerkte ich jedoch trotz erhöhter Basis- Dosierung eine vermehrte innere Unruhe, Anspannung mit Übelkeit, Schwindel und Zeichen von Unterzucker. Traubenzucker reichte nicht aus, so dass ein rasches Nachdosieren des Cortisons erforderlich war.
In diesen Fällen nahm ich nochmals 5 bis 10 mg Hydrocortison dazu. Hydrocortison wirkt deutlich schneller als das Prednisolon, dies war in diesen Situationen sehr wichtig. So konnte ich auch diese Probleme gut bewältigen.

Der Schlaf war natürlich in der ganzen Zeit noch mehr gestört als ohnehin seit der Cortisol-Ersatztherapie. Ich fiel zwar gegen 21 Uhr todmüde ins Bett und schlief auch meist gut ein. Früh in der Nacht wurde ich wach, benötigte meine erste Cortison-Dosierung (2,5 mg Prednisolon), danach lag ich oft wach. Jetzt kamen meine verschiedenen Entspannungs-CDs zum Zuge, diese hörte ich in der Zeit nachts via MP3 Player rauf und runter. Oft schlief ich nur noch oberflächlich ein, so dass ich morgens meist müde und gerädert aufwachte.
Mein Motto lautete: Keine Renovierung dauert ewig, die zwei Wochen werden vorüber gehen.

In der ersten Woche konnten sämtliche Malerarbeiten abgeschlossen werden, jetzt lag noch die zweite Woche mit dem Verlegen der Ersatz-Fliesen vor uns. Das Innenleben des Hauses sah aus wie ein Rohbau, Böden herausgerissen, alles voller Staub und Dreck, die verbliebenen Möbel auseinandergebaut, zum Teil noch abgedeckt und verstreut in allen Richtungen ... ich hätte heulen können. Wie sollte das alles klappen in der verbleibenden Woche ....?

Die Fliesen kamen zum großen Glück am Montag der zweiten Woche, der Chef konnte am Dienstag beginnen, die Böden zu verlegen. Mit zahlreichen Überstunden konnte er die Arbeiten dann zum Glück am späten Freitagabend abschließen.
Hier möchte ich ein sehr großes Lob aussprechen, die Maler und Bodenleger haben alle tolle Arbeit geleistet. Der Chef der Truppe hatte alles gut im Griff, auch das Problem um die nicht mehr lieferbaren Fliesen. Das hatte ich so nicht erwartet, nach allem was oft verbreitet wird über „Pleiten, Pech und Pannen” mit Handwerkern.

Unsere waren klasse, und so konnten wir unsere Ferienwohnung pünktlich räumen und am Samstag (Umzugstag: 2 mg Prednisolon extra) zurück in unser runderneuertes Haus ziehen. Dort sah alles zwar frisch renoviert aus, die Wände strahlten wieder hell und neu. Aber die Spuren der Handwerker waren natürlich trotz tatkräftiger Hilfe unserer Haushaltshilfe und unseres Sohnes bei weitem noch nicht alle beseitigt, und so lebten wir noch einige Zeit mit viel Staub und Provisorien. Trotzdem waren wir nur noch froh, wieder zuhause zu sein.

Nach einigen Tagen zuhause begann ich die Prednisolon-Dosierung zu reduzieren:
Von 7,5 mg zunächst auf 7mg (ca. zwei Wochen lang), dann auf 6,5 mg. Diese Dosierung musste ich einige Wochen beibehalten.
In diese Zeit fiel noch der Kauf eines neuen Ecksofas. Dies war natürlich ein positiver Stress mit viel Vorfreude, aber eben auch dieser Stress hatte zu viel Cortison verbraucht, so dass ich hier akut – aber nur einmalig - 5 mg HC nachdosieren musste. Anfang Dezember konnte ich schließlich auf meine davor üblichen 6 mg Prednisolon reduzieren.

Unsere 14-tägige Renovierung war ein echter Ausnahmezustand gewesen, aber insgesamt hatten wir es alle glücklich überstanden. Mit den „Feinarbeiten” danach - einräumen, immer wieder putzen, Bilder aufhängen etc. - haben wir uns Zeit gelassen. Unsere Haushaltshilfe - eine echte Perle - hatte in der Zeit wirklich sehr viel zu tun. Es war wirklich unglaublich, in welchen Ecken sich noch Handwerker-Staub angesammelt hatte. Die letzten Bücher wurden schließlich in den Weihnachtsferien eingeräumt.

Nebenwirkungen der höheren Cortison-Dosierung hatte ich in der ganzen Zeit - bis auf die Schlafstörungen - keine. Mein Blutdruck war im Normalbereich geblieben, es gab keine Wassereinlagerungen, keine Gewichtszunahme, im Gegenteil, ich hatte vor lauter Stress abgenommen - sehr erfreulich!

Fazit

Es ist notwendig, bei solchen ungewöhnlichen mentalen bzw. psychischen Stress-Belastungen großzügig zu sein mit zusätzlicher Cortison-Dosierung und diese an den vermehrten Stress gut anzupassen. Hier reichten mir zusätzlich 1,5 mg Prednisolon (entspricht ca. 7,5 mg Hydrocortison zusätzlich), und an 3 Tagen nochmals 5–10 mg Hydrocortion gut aus.

Es ist also nicht mit der Höherdosierung bei hohem Fieber und Magen-Darminfekten zu vergleichen. Aber diese moderate zusätzliche Dosierung war bei mir dennoch nötig. Nach dem 14-tägigen Renovierungsstress konnte ich in Etappen gut auf die übliche Dosierung redu- zieren. Insgesamt war also alles gut verlaufen, wir freuten uns über unser „neues Heim inklusive neuem Sofa” ... bis zum 22. Dezember.

An diesem Tag bekam ich ohne jegliche „Vorwarnung” einen sehr heftigen Magen-Darm-Infekt mit massiver Übelkeit und Durchfällen, aber zum Glück ohne Erbrechen, so dass ich die Tabletten behalten konnte und keine Infusionen nötig waren.
Infekte halten sich einfach nicht an Feiertage und eine halbierte Dienstbesetzung in den Kliniken. Und so hatte ich alle Hände voll zu tun, um – nach telefonischer Rücksprache mit dem gestressten diensthabenden Endokrinologen - nicht mit einer Addison-Krise unter dem Klinikweihnachtsbaum feiern zu dürfen.

Hier galt dann das Motto: „nicht kleckern, sondern klotzen”, das heißt 90 mg HC ...

Aber das ist eine andere Geschichte.