Ein Umdenken bei Nebennierenerkrankungen – Conn oder Cushing? Manchmal sogar Connshing!

Abb. 1: Schematische Ansicht der Nebenniere und ihre Hormone

In Deutschland leiden mehr als 24 Millionen Menschen an der Volkskrankheit Bluthochdruck. Hierfür sind in bis zu 10 % der Fälle hormonelle Veränderungen verantwortlich. Zu den häufigsten endokrinen Ursachen des Bluthochdrucks gehören Störungen derjenigen Hormone, die in den Nebennieren produziert werden. Die den Nieren aufliegenden paarig angelegten Hormondrüsen lassen sich in eine größere Nebennierenrinde und ein kleineres Nebennierenmark unterteilen. Unter dem Mikroskop lässt sich die Nebennierenrinde nochmals in drei weitere Schichten unterteilen. Jede diese Schichten produziert unterschiedliche Hormone, die jedoch die Gemeinsamkeit haben, aus dem Vorgängermolekül Cholesterin zu entstehen. Sie werden daher als große Gruppe der Steroidhormone bezeichnet (siehe Abbildung 1).

Den unterschiedlichen Hormonen kommen auch unterschiedliche Funktionen zu. Die Mineralokortikoide, deren wichtigster Vertreter das Aldosteron ist, regulieren den Flüssigkeits- und Salzhaushalt. Die Glukokortikoide mit Cortisol als wichtigstem Vertreter sind Stresshormone und leiten in Belastungssituationen Anpassungsreaktionen im Körper ein, wie beispielsweise die Mobilisierung von Energiereserven. Zu einem geringeren Ausmaß werden bei beiden Geschlechtern auch die Androgene Dehydroepiandrosteron (DHEA) und Androstendion in der Nebennierenrinde produziert. Dies sind männliche Sexualhormone, die in anderen Geweben später in Östrogen und Testosteron umgewandelt werden.

Im Nebennierenmark, das entwicklungsgeschichtlich aus anderen Zellen als die Nebennierenrinde hervorgeht, entstehen wiederum andere Hormone. Dies sind die Katecholamine Adrenalin und Noradrenalin, die der Steuerung des autonomen Nervensystems unterliegen.

Die krankhaften Überproduktionen von Aldosteron, Cortisol oder der Katecholamine können zu arteriellem Bluthochdruck führen.

Conn-Syndrom

Bei 4–6 % aller Hypertoniker, also unter Bluthochdruck leidenden Patienten in Allgemeinarztpraxen und bei 10–12 % der Hypertoniker in Spezialambulanzen lässt sich das Conn-Syndrom (Synonym: primärer Hyperaldosteronismus) nachweisen, bei dem eine Überproduktion des Hormons Aldosteron vorliegt. Somit sind ca. 1,2 Millionen Menschen vom Conn-Syndrom betroffen, es handelt sich um die häufigste endokrine Ursache für Bluthochdruck. Jedoch wird davon weniger als 1 % im Jahr in Deutschland diagnostiziert.

In der Mehrzahl der Fälle bleibt die Hypertonie das einzige Symptom. In den Untersuchungen des Bluts fällt zudem bei einem Teil der Patienten eine Hypokaliämie (Erniedrigung des Kaliumwertes) auf. Für den primären Hyperaldosteronismus gibt es zwei hauptsächliche Ursachen: In 2/3 der Fälle besteht eine beidseitige Vergrößerung der Nebennieren (= bilaterale Nebennierenhyperplasie), die medikamentös mit einem Mineralokortikoidrezeptorantagonisten (Spironolacton) therapiert wird. In 1/3 aller Fälle findet sich ein unilaterales (einseitiges) Aldosteron-produzierendes Adenom (= gutartiger Tumor, siehe Abb. 2a), welches mittels einer laparoskopischen Adrenalektomie (= einseitige Nebennierenentfernung durch Schlüsselloch-Chirurgie) behandelt wird. Nach einer Adrenalektomie kommt jeder dritte Patient ohne jegliche Blutdruckmedikation aus, bei den anderen kann die Zahl der Medikamente meistens deutlich reduziert werden.

Cushing-Syndrom

Das Cushing-Syndrom ist die Folge dauerhaft erhöhter Mengen des Hormons Cortisol im Körper (= Hyperkortisolismus). Am häufigsten ist dies Folge von aus medizinischen Gründen verabreichten Glukortikoid-Präparaten, umgangssprachlich Cortison, in Form von Tabletten, Spritzen, Cremes oder Sprays (= exogenes Cushing-Syndrom). In seltenen Fällen kommt es jedoch zu einer körpereigenen vermehrten Cortisolproduktion (= endogenes Cushing-Syndrom). Die Ursache hierfür ist in der Regel ein hormon-produzierendes Adenom (= gutartiger Tumor), das häufig in der Hirnanhangsdrüse liegt und das Hormon ACTH produziert, was die Nebennieren zur Cortisolausschüttung veranlasst. In ca. 20 % der Fälle findet man dieses Adenom aber auch in der Nebennierenrinde (siehe Abb. 2b). Es produziert direkt das Hormon Cortisol und das Krankheitsbild wird dann als adrenales Cushing-Syndrom bezeichnet.
 

Abb. 2a: Conn-Syndrom: Aldosteron-produzierendes Nebennieren-Adenom rechts, max. Durchmesser 3,6 cm, MRT, T2-Gewichtung
Abb. 2b: Cushing-Syndrom: Cortisol-produzierendes Nebennieren-Adenom links, max. Durchmesser 3,2 cm, CT nach Kontrastmittelgabe

Das Cushing-Syndrom führt zu charakteristischen von außen sichtbaren Veränderungen des Körpers, wie einer stammbetonten Adipositas (mit Aussparung der Extremitäten), Büffelnacken, Vollmondgesicht, Plethora (Gesichtsröte), Striae rubrae (rötlich fahle Streifen der Haut) und einer sehr dünnen Haut (Pergamenthaut). Auch ein Muskelschwund und eine vermehrte Neigung zu blauen Flecken werden beschrieben. Außerdem kommen weitere Erkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes mellitus Typ 2, Fettstoffwechselstörungen und Osteoporose hinzu. Bei einem klinisch sichtbar werdenden Cushing-Syndrom sind viele dieser Symptome vorhanden, dies muss jedoch nicht immer der Fall sein. Durch operative Entfernung des Cortisol-produzierenden Adenoms kommt es häufig zu einer Rückbil- dung der oben genannten Veränderungen und zu einer Verbesserung oder Normalisierung von Blutdruck-, Blutzucker- und Blutfettwerten.

Connshing-Syndrom

Dass die Nebenniere gleichzeitig die Hormone Aldosteron und Cortisol in erhöhten Mengen produziert, wurde bisher nur selten angenommen.

Eine im April 2017 veröffentlichte Studie zeigt jedoch, dass die strikte Trennung des Conn-Syndroms (Hyperaldosteronismus) und des Cushing-Syndroms (Hyperkortisolismus) in zwei verschiedene Krankheiten möglicher weise nicht mehr ganz aktuell ist. Die Forschergruppe um Prof. Dr. med. Arlt aus Birmingham und Prof. Dr. med. Reincke aus München konnte zeigen, dass bei einem Teil Patienten mit primärem Hyperaldosteronismus sich auch ein Hyperkortisolismus nachweisen ließ. Dies zeigte sich mittels Bestimmung von Cortisol im 24-Stunden-Sammelurin von Patienten mit Conn-Syndrom. Als Vergleichsgruppe wurden hierfür gesunde Probanden sowie Patienten mit nicht-hormonproduzierenden Adenomen der Nebennieren und Patienten mit nicht sichtbarem und sichtbarem Cushing-Syndrom ausgewählt. Hierbei zeigte sich, dass die Cortisolproduktion bei Patienten mit Conn-Syndrom auf einem ähnlich hohen Niveau wie das der Patienten mit nicht sichtbarem Cushing-Syndrom lag. Nur die Gruppe mit klinisch sichtbarem adrenalem Cushing-Syndrom hatte noch höhere Cortisolwerte.

Aus krankheitsbezogenen Daten weiß man, dass Patienten mit Conn-Syndrom auch ein erhöhtes Risiko für Diabetes mellitus Typ 2, Osteoporose und Depressionen haben, die durch die reine Aldosteronwirkung bisher unzureichend erklärt waren. Dass diese Zusatzerkrankungen auf erhöhte Cortisolwerte zurückzuführen sind, wäre eine plausible Erklärung. Eine Operation würde dabei sowohl den Aldosteron- als auch den Cortisolexszess beseitigen.

Bei Patienten mit einem adrenalen Cushing-Syndrom, welche eine Nebenniere operativ entfernt bekommen haben, stellt sich unvermeidlich eine Nebenniereninsuffizienz ein. Aufgrund der Überaktivität der zu operierenden Nebenniere wird die verbleibende Nebenniere durch hormonelle Regulationsmechanismen unterdrückt. Der Körper ist daher vorübergehend nicht in der Lage, das lebenswichtige Hormon Cortisol selbst zu produzieren. Aus einer schweren Überfunktion wird somit schlagartig eine Unterfunktion, sodass das Hormon nach der Operation ersetzt werden muss. Aufgrund der vermehrten Produktion von Cortisol kann daher eine Nebennierenrindeninsuffizienz nach der OP auch bei Patienten auftreten, denen ein Aldosteronproduzierendes Adenom entfernt wird. Dies war bei ca. 30 % der Patienten dieser Studie zumindest teilweise der Fall.

Insgesamt zeigen diese Ergebnisse, dass Patienten mit Conn-Syndrom auch häufig erhöhte Cortisolwerte aufweisen. Für die klinische Patientenversorgung ist diese neue Erkenntnis hoch relevant.

Diese Studie hat unser bisheriges Verständnis der Klassifikation von Nebennierenerkrankungen deutlich auf den Kopf gestellt: Es ist also aktuell davon auszugehen, dass es nicht nur entweder ein Conn- oder ein Cushing-Syndrom gibt, sondern dass es zu Überschneidungen beider Erkrankungen kommen kann.

Anekdotischerweise wurde dabei der Begriff Connshing-Syndrom als Vermischung des Conn- und Cushing-Syndroms durch einen betroffenen Patienten aus München geprägt.

German Rubinstein
Dr. med. Daniel A. Heinrich
Medizinische Klinik und Poliklinik IV
Klinikum der Universität München
Ziemssenstraße 1
80336 München