Ein Traum wird Wirklichkeit
Einer Addison-Betroffenen gelang es trotz aller Einschränkungen: Sie erfüllte sich ihren unrealistisch wirkenden Herzenswunsch.
Ich liebe das Lesen und die Beschäftigung mit der Geschichte. Nach dem Abitur machte ich jedoch eine Ausbildung zur Großhandelskauffrau, die mit diesen Vorlieben recht wenig zu tun hatte. Ich heiratete bald und bekam zwei Töchter. Mein Traum vom Studieren blieb genau das: ein Traum. Er trat schließlich immer mehr in den Hintergrund. Während meines gesamten Er wachsenenlebens war ich immer wieder krank, was den Familienalltag belastete. Meine Kinder wurden groß und ich begann wieder, im Büro zu arbeiten.
Ende 1999 bekam ich dann, nach immer wieder auftretenden Infektionen, die Diagnose Morbus Addison. Es war eine große Erleichterung, endlich zu wissen, warum ich immer wieder hohes Fieber bekommen hatte und mich stetig schlechter fühlte. Nachdem ich begonnen hatte, Cortisol zu nehmen, ging es mir sehr schnell sehr viel besser. Ich hatte endlich seit langer Zeit wieder Energie, meinen Alltag zu bewältigen und darüber hinaus auch Hobbies nachzugehen. Irgendwo, ganz verborgen, gab es immer noch den Wunsch zu studieren. Als ich 45 Jahre alt war und eigentlich dachte, jetzt sei ich endgültig zu alt für ein Studium, ermutigten mich meine Töchter, es dennoch einmal zu versuchen. Sie wussten ja, wie sehr ich es mir schon immer gewünscht hatte.
Ganz aufgeregt ließ ich mein Abiturzeugnis beglaubigen und schickte meinen Antrag auf Zulassung zum Studium der Geschichte und Literaturwissenschaften zur Universität. Es begann eine wunderbare und aufregende Zeit, in der ich den Eindruck hatte, dass sich für mich täglich eine neue Welt auftat. Diese ständige Horizonterweiterung ist bis heute eine wunderbare Erfahrung. Es war täglich eine Kraftanstrengung für mich und meine Familie, weil ich anscheinend doch mehr Pausen brauche als ein gesunder Mensch. Aber die Familie hat mich geduldig unterstützt und mit mir gelitten, wenn ich mich auf eine Prüfung vorbereitete oder auf ein Ergebnis gewartet habe.
Anfangs hatte ich noch Zweifel, ob ich überhaupt – in meinem Alter und mit dieser Krankheit – in der Lage sein würde, ein Studium zu bewältigen. Dann schaffte ich zunächst den Bachelorabschluss mit einem sehr guten Ergebnis und vor kurzem habe ich das Masterstudium der Geschichte abgeschlossen. Meinem Mann, meinen Kindern und der restlichen Familie bin ich sehr dankbar, dass sie mich ermutigt, unterstützt und mit mir durchgehalten haben. Ihre Unterstützung hat mir geholfen, trotz des Addison diese große Herausforderung bewältigen zu können und so ist mein Traum doch noch Wirklichkeit geworden. Tatsächlich geht es noch darüber hinaus. Denn nach dem Abschluss kann ich nun ein Dissertationsprojekt beginnen.
Mir ist bewusst, dass sich die Krankheit bei jedem anders auswirkt und weitere Erkrankungen das Leben und den Alltag sehr einschränken können. Mit meinem Bericht möchte ich Mut machen und meine positiven Erfahrungen teilen. Die Diagnose bedeutet nicht, dass das Leben zu Ende ist. Im Gegenteil: Für mich wendete sich Vieles zum Positiven und das trotz aller Begrenzungen, die die Krankheit mit sich bringt.