Hypophysen- und Nebenierenerkrankungen bei Kindern und Jugendlichen – erklärt für Erwachsene
Diese Seite richtet sich an Eltern, Angehörige und junge Menschen, die sich über Hypophysen- und Nebennierenstörungen informieren möchten. Wir bieten Ihnen Informationen zu Krankheitsbildern, deren Ursachen, Symptomen und Behandlungsmöglichkeiten. Unser Ziel ist es, Sie auf dem Weg zu einer guten Behandlung zu unterstützen und Ihnen zu helfen, mit den Herausforderungen einer solchen Diagnose selbstbewusst umzugehen. Denn frühzeitige Aufklärung und Wissen sind der Schlüssel für einen konstruktiven Umgang mit der Krankheit.
Hormone
Was genau sind eigentlich Hormone?

Hormone sind Botenstoffe im Körper, die Informationen von einem Organ zum anderen und von einem Gewebe zum anderen übermitteln. Sie haben damit eine ähnliche Funktion wie die Nerven. Die Nerven übermitteln Informationenallerdings sehr schnell. Hormone sind da im Allgemeinen langsamer. Allerdings existieren auch Hormone, die sehr schnell wirken. Dazu gehört etwa das aufputschende Adrenalin, das in Stress-Situationen ausgeschüttet wird.
Hormone beeinflussen zahlreiche Funktionen im Körper. Dies sind unter anderem Wachstum, Herzschlag, Hunger, Durst, Schlafrhythmus, Verdauung und das allgemeine Verhalten. Endokrine Erkrankungen bewirken Störungen des Hormonhaushaltes und können sich auf all diese und weitere Körperfunktionen negativ auswirken.
Früher waren viele Störungen des Hormonhaushaltes nicht heilbar. Doch mittlerweile gibt es zahlreiche Möglichkeiten, diese Störungen zu behandeln. Oft sogar so weitgehend, dass Betroffene ein völlig beschwerdefreies Leben führen können.
Endokrine Erkrankungen entstehen aufgrund angeborener Ursachen oder spontan. Alles, was unserem Körper und unserem Geist gut tut – etwa gesunde Ernährung, ausreichend Bewegung, ein liebevolles Umfeld und eine positive Lebenseinstellung –, können vermutlich auch den Ausbruch und den Verlauf dieser Krankheitsbilder positiv beeinflussen. Spezielle Vorbeugemaßnahmen sind aber leider für die meisten Störungen nicht möglich.
Hypophyse
Was heißt eigentlich Hypophyse und wo liegt sie?
Der Begriff kommt aus dem Griechischen, zusammengesetzt aus „hypo“ (unter) und „physis“ (wachsen, entstehen). Die Hypophyse wird auch Hirnanhangdrüse genannt. Die Hypophyse liegt im Schädelinneren im Keilbein (Os sphenoidale), einem Schädelknochen. Sie ist eingebettet auf einem sattelartigen Knochenvorsprung, der wegen seiner Ähnlichkeit mit den Sätteln der türkischen Reiterei im 16.-18. Jahrhundert auch als „Türkensattel“ (Sella turcica) bezeichnet wird
Aus welchen Teilen besteht die Hypophyse und welche Aufgabe hat sie?

Man unterscheidet von den körperlichen Funktionen her zwischen dem Hypophysenvorderlappen (HVL) und dem Hypophysenhinterlappen (HHL). Der HVL ist eine Drüse, der HHL ist Teil des Gehirns.
Im Hypophysenvorderlappen werden Hormone gebildet und in den Blutkreislauf abgegeben, die zum Teil verschiedene Körperbereiche direkt beeinflussen. Zumeist steuern die Hypophysenvorderlappen-Hormone aber die Produktion von weiteren Hormonen in anderen Drüsen des Körpers.
Welche Hormone produziert der Hypophysenvorderlappen und wie wirken sie?
Welche Aufgabe hat der Hypophysenhinterlappen?
Der Hypophysenhinterlappen dient als Speicher und Freisetzungsort für die Hormone ADH (Antidiuretisches Hormon, Vasopressin) und Oxytocin, die im Hypothalamus gebildet werden.
Häufige Erkrankungen der Hypophyse und Nebennieren
Erkrankungen der Hypophyse und Nebennieren können das hormonelle Gleichgewicht erheblich stören und zu verschiedenen gesundheitlichen Problemen führen. Diese Störungen betreffen oft Wachstum, Stoffwechsel und die sexuelle Entwicklung.
Kinder mit einem Mangel an Wachstumshormon haben häufig einen auffälligen Kleinwuchs. Kinder mit einem WH-Mangel weisen eine unterdurchschnittliche Wachstumsgeschwindigkeit auf, wodurch es zu einem Wachstumsknick und in der weiteren Folge unbehandelt auch zu einem Kleinwuchs kommt. Das heißt, diese Kinder waren vor wenigen Jahren noch normal gewachsen, im weiteren Verlauf aber mit der Wachstumsgeschwindigkeit abgefallen.
Kinder mit Wachstumshormonmangel haben häufig:
- ein puppenhaftes Aussehen,
- eine hohe Stimme,
- um den Bauch herum etwas mehr Fett,
- ein verzögertes Knochenalter und
- Jungen haben oft einen kleinen Penis.
Diese bei Kindern und Jugendlichen allerdings nur sehr selten vorkommende Erkrankung wurde bereits 1955 vom Londoner Arzt Thomas Addison (1793-1860) beschrieben. Morbus Addison (die Addison‘sche Krankheit) ist die Unterfunktion der Nebennierenrinde, welche die Hormone Cortisol und Aldosteron betrifft. Früher, das heißt zu Lebzeiten von Dr. Addison, war in London die Tuberkulose die häufige Ursache der Nebenniereninsuffizienz.
Heute wird der M. Addison meist durch Prozesse ausgelöst, die eine Zerstörung des Nebennierengewebes durch den Körper selbst bewirken. Es handelt sich dabei um eine sogenannte Autoimmunkrankheit, ähnlich wie bei den rheumatischen Erkrankungen. Nicht selten sind von dieser Autoimmunerkrankung auch noch andere Drüsen betroffen, z. B. die Schilddrüse oder die Bauchspeicheldrüse. Dadurch können zum Beispiel eine Schilddrüsenüber- oder -unterfunktion oder eine Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus) auftreten.
Beim M. Addison kommt es zu einem Versiegen der Produktion sämtlicher Hormone aus der Nebennierenrinde. Unbehandelte Patienten sind schwer krank, haben einen erniedrigten Blutdruck und können in der „Addison-Krise“ sterben, behandelte Patienten können können meist vollkommen normales Leben führen, wenn die Hormonersatztherapie genau befolgt und den Gegebenheiten angepasst wird.

Das Adrenogenitale Syndrom (oder einfacher das AGS) ist eine angeborene erbliche Störung des Hormonaufbaus von Cortisol und gegebenenfalls auch Aldosteron der Nebennierenrinde (NNR). Die NNR ist ein Teil der Nebenniere, einer kleinen Drüse, die lebenswichtige Hormone produziert. Beim AGS kommt es durch einen erblich bedingten Enzymmangel zu einer Fehlfunktion der NNR. Normalerweise wandeln Enzyme Cholesterin schrittweise in Cortisol bzw. Aldosteron um. Fehlt ein Enzym, wird diese Produktionskette unterbrochen, was zu einem Anstau der Vorstufen und einer übermäßigen Produktion von Androgenen führt.
Es gibt verschiedene Formen des AGS. In über 95 % aller Fälle ist das Enzym 21-Hydroxylase defekt, was zu den klassischen und nicht-klassischen Formen führt. Das klassische AGS tritt als „einfaches AGS“ (nur Cortisolproduktion gestört) oder „AGS mit Salzverlust“ (zusätzlich Aldosteronproduktion gestört) auf. Das nicht-klassische AGS, auch „late onset AGS“ genannt, zeigt mildere Symptome und tritt häufig erst in der Pubertät oder im Erwachsenenalter auf.
Beim klassischen AGS haben fast alle betroffenen Mädchen bei Geburt ein vermännlichtes äußeres Genital, während das innere Genital weiblich bleibt. Kinder mit AGS und Salzverlust können in den ersten Lebenswochen eine lebensbedrohliche Salzverlustkrise erleiden. Beim einfachen AGS und nicht-klassischen AGS treten verfrühte Schambehaarung, beschleunigtes Wachstum und bei Frauen Regelstörungen sowie Unfruchtbarkeit auf.
Die Behandlung des klassischen AGS erfolgt durch lebenslange Substitutionstherapie mit Hydrocortison (Cortisol) und gegebenenfalls Fludrocortison (Aldosteron). In Belastungssituationen wie Infektionen oder Operationen müssen die Medikamentendosen angepasst werden. Das nicht-klassische AGS wird durch niedrig-dosierte Glucocorticoide behandelt. Operative Eingriffe zur Korrektur der Vermännlichung des Genitals bei Mädchen werden oft im Kleinkindalter durchgeführt, jedoch wird zunehmend zurückhaltender operiert.
Im Übergang vom Jugend- zum Erwachsenenalter ist es entscheidend, dass Patienten über die Erkrankung aufgeklärt werden, die Notwendigkeit der Therapie verstehen und die regelmäßige Medikamenteneinnahme sowie Dosisanpassungen in Stresssituationen befolgen.

Welche Veränderungen geschehen in der Pubertät?
In der Pubertät beginnt die Geschlechtsreife. Bei Jungen vergrößern sich die Hoden, Testosteron wird verstärkt gebildet, Muskeln wachsen, Scham-, Achsel- und Barthaare erscheinen, und die Stimme wird tiefer. Bei Mädchen wachsen Brustdrüsen, Scham- und Achselhaare entwickeln sich, und die erste Monatsblutung tritt ein. Beide Geschlechter erfahren Veränderungen der Körperproportionen und seelische Umstellungen, wie eine stärkere Hinwendung zum sozialen Umfeld und zum anderen Geschlecht.
Wann und wie tritt die Pubertät normalerweise ein?
Die Pubertät setzt bei Mädchen durchschnittlich mit 11 Jahren und bei Jungen mit 13 Jahren ein. Frühe Anzeichen sind das Wachstum sekundärer Geschlechtsmerkmale wie Körperbehaarung oder Brustwachstum. Ein zu früher Beginn vor dem 8. Lebensjahr (Mädchen) bzw. 9. Lebensjahr (Jungen) gilt als Frühpubertät. Wenn bis 13 Jahren (Mädchen) oder 14 Jahren (Jungen) keine Pubertätszeichen auftreten, spricht man von einer verspäteten Pubertät.
Wie kann die Ärztin/der Arzt die Ursachen einer Pubertätsstörung ergründen?
Ärztinnen/Ärzte ntersuchen durch Bluttests, ob wichtige Hormone ausreichend vorhanden sind. Stimulationstests, Röntgenaufnahmen der Hand (zur Bestimmung des Knochenalters) sowie Kernspin- oder Computertomografien des Kopfes und Ultraschalluntersuchungen der inneren Organe können mögliche Ursachen für eine Störung aufdecken.
Was kann getan werden, damit die Pubertät eintritt?
Wenn die Pubertät nicht von allein beginnt, kann sie durch Hormontabletten oder -spritzen künstlich eingeleitet werden. Dabei werden Hormone verabreicht, die normalerweise die Pubertät steuern. Dies muss von Fachärztinnen/Fachärzte begleitet werden.
Wie lange dauert eine Behandlung, die zum Pubertätseintritt führt?
Die Behandlung dauert in der Regel zwei bis drei Jahre, bis die Pubertät abgeschlossen ist. In vielen Fällen müssen Geschlechtshormone lebenslang zugeführt werden, um Unfruchtbarkeit, Osteoporose oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu vermeiden.
Welche Gefahren gibt es durch Hormonbehandlungen,die die Pubertät auslösen können?
Eine Überdosierung kann das Risiko für Krebs, Blutgerinnungsstörungen, Gewichtszunahme und Veränderungen des äußeren Erscheinungsbildes erhöhen. Bei falscher Hormonart kann es zu Persönlichkeitsveränderungen kommen, etwa durch männliche Hormone bei Frauen oder weibliche Hormone bei Männern.
Wie bemerke ich, wenn bei meinem Kind die Pubertät zu früh eintritt? Und was kann ich dann tuen?
Erste Anzeichen sind das Auftreten von Scham- und Achselhaaren, Akne, verstärkter Schweißgeruch und rasches Wachstum. Bei Mädchen beginnt das Brustwachstum, bei Jungen vergrößern sich die Hoden. Tritt dies vor dem 8. (Mädchen) bzw. 9. Lebensjahr (Jungen) auf, sollte eine Fachärztin oder ein Facharzt konsultiert werden.
Eine Frühpubertät (Pubertas praecox) kann durch Hormonbehandlungen verzögert werden. Dies verhindert mögliche Wachstumsstörungen und seelische Belastungen. Die Behandlung erfolgt durch erfahrene Kinderendokrinologen mit regelmäßigen Kontrollen und Untersuchungen, wie Röntgenaufnahmen der Hand und bildgebenden Verfahren.

Weitere häufige Fragen
Weitere Informationen
Weiterführende Informationen zu diesem Thema finden Sie in der bereitgestellten Broschüre.
Mit freundlicher Unterstützung der IKK classic
