Phäochromozytom

Phäochromozytome oder Paragangliome sind sehr selten und ihre erfolgreiche Behandlung erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen Ärzten verschiedener Disziplinen: Endokrinologen (Hormonärzte), Kardiologen (Ärzte für das Herz-Kreislauf-System), Anästhesisten (Narkoseärzte) und Chirurgen.

Ursache

Abb 1: Schematische Darstellung möglicher Entstehungsorte für Paragangliome (Abbildung erstellt in Zusammenarbeit von Timothy Mrozek und Dr. Stephanie Fliedner)

Paragangliom ist der Oberbegriff für Stresshormon-produzierende, meist gutartige Tumore. Paragangliome können im Kopf-Hals-Bereich, Brustbereich oder Bauchbereich auftreten (siehe Abb. 1). Wenn ein Paragangliom im Nebennierenmark (oberhalb der Nieren) entsteht, wird es Phäochromozytom genannt. Einige Ärzte sprechen, auch wenn sie ein Paragangliom außerhalb der Nebenniere meinen, von einem Phäochromozytom. Dies ist der ältere Begriff und hat sich daher als üblich im Klinikalltag eingeprägt.

Symptome

Tab. 1: Wichtigste Begleitsymptome beim Phäochromozytom

Patienten mit Phäochromozytomen und Paragangliomen erleben häufig Beschwerden, die zu den typischen Stressreaktionen gehören. Die Beschwerden stehen im Zusammenhang mit einem dauerhaft oder plötzlich auftretenden Überschuss an Stresshormonen und treten daher zum Teil nur vorübergehend auf. Die Beschwerden sind insofern meistens nicht eindeutig und eine korrekte Diagnose ist oft nicht einfach. Ein recht eindeutiges Anzeichen ist ein hartnäckiger Bluthochdruck, der dauerhaft oder nur vorübergehend auftreten kann und sich nicht durch Medikamente normalisieren lässt. Außerdem treten häufig Kopfschmerzen, Schwitzen und Herzrasen auf. Eine Liste weiterer häufiger Symptome ist unten aufgeführt (Tabelle 1). 

Diagnose

Ihre Krankheitsgeschichte
Zusätzlich zu den bereits aufgeführten Beschwerden gibt es weitere Gründe, warum der Verdacht auf ein Phäochromozytom oder Paragangliom besteht. Dies kann ein Tumor der Nebenniere, eine familiäre Vorbelastung oder die Diagnose eines seltenen Syndroms, welches mit Paragangliomen einhergehen kann (siehe nächste Seite), sein. Grundsätzlich ist es bei der Diagnosestellung sehr hilfreich, dass Sie sich genau überlegen und aufschreiben wann, wie oft, wie lange und im Zusammenhang mit welcher Tätigkeit Ihre Beschwerden auftreten (Beschwerden-Tagebuch). In einigen Fällen treten Symptome zum Beispiel im Zusammenhang mit körperlicher Anstrengung oder Blasen-/Darmentleerung auf.

Körperliche Untersuchung
Eine körperliche Untersuchung allein ermöglicht keine eindeutige Diagnose, da die Anzeichen eines Phäochromozytoms oder Paraganglioms unspezifisch sind und oft nur vorübergehend auftreten. Bei vielen Patienten zeigt sich ein erhöhter Blutdruck, allerdings gibt es hierfür eine Reihe von Ursachen. Die Durchführung einer 24-Stunden-Blutdruckmessung kann sinnvoll sein, um wichtige Hinweise auf die Ursache zu geben. So kommt es bei einer organischen Ursache typischerweise zu einer sogenannten „fehlenden Tag-Nacht-Absenkung” des Blutdrucks. Bei einigen Patienten treten Gesichtsblässe und eine tastbare Beschleunigung des Pulses auf, in seltenen Fällen kann ein plötzliches Erröten von Gesicht, Hals oder Oberkörper auftreten (sogenannter Flush).

Tab. 2: Faktoren, die den Metanephrinspiegel im Blut oder Urin beeinflussen

Laboruntersuchung
Wie oben beschrieben, produzieren Phäochromozytome und Paragangliome Katecholamine (Adrenalin, Noradrenalin, Dopamin). Mit Hilfe einer Untersuchung des Blutes oder des Urins kann festgestellt werden, ob eine erhöhte Produktion dieser Stresshormone vorliegt. Es werden dabei die stabilen Abbauprodukte des Adrenalins (Metanephrin), Noradrenalins (Normetanephrin) und zunehmend auch des Dopamins (Methoxytyramin) bestimmt. Vor der Untersuchung müssen Nahrungs- und Genussmittel, Medikamente und Tätigkeiten, die sich auf die Metanephrinspiegel auswirken, unbedingt vermieden werden (Tabelle 2). Ab dem Vorabend der Untersuchung sollte nur noch Wasser getrunken und nicht gegessen werden.

Was verraten die Metanephrine noch?
Forschungen der letzten Jahre haben ergeben, dass bestimmte Eigenschaften von Phäochromozytomen und Paragangliomen sich anhand der Metanephrine abschätzen lassen. Die Metanephrine können Hinweise auf den Ort des Tumors, einen möglichen Fehler in der Erbinformation (Genmutation) und eine eventuell bösartige Ausprägung liefern. Bei ausschließlich Metanephrin produzierenden Tumoren kann von einem Phäochromozytom (Lagebestimmung im Nebennierenmark) ausgegangen werden. Erhöhtes Normetanephrin deutet meist auf ein Paragangliom außerhalb des Nebennierenmarks hin. Erhöhtes Methoxytyramin kann auf ein Paragangliom im Rumpf (oft mit gleichzeitig erhöhtem Normetanephrin) oder Kopf-Hals-Bereich hindeuten. Ein erhöhter Methoxytyramin-Gehalt in Blut oder Urin kann allerdings auch mit bösartigem Tumorverhalten zusammenhängen.

Bildgebende Verfahren
Nach Sicherung der Diagnose eines Phäochromozytoms oder Paraganglioms ist die Durchführung eines bildgebenden Verfahrens zur Lagebestimmung des Tumors erforderlich. Bei allen bildgebenden Verfahren ist es von äußerster Wichtigkeit, dass die Patientin/der Patient absolut stillhält. Bei Bewegung während einer Aufnahme kommt es, ähnlich wie bei einer Fotografie, zu unscharfen oder verwackelten Bildern.

Weitere Diagnostik
In seltenen Einzelfällen, wenn die Metanephrine eindeutig erhöht sind, aber eine Lokalisierung anhand bildgebender Verfahren nicht möglich ist, kann eine Untersuchung des aus jeder Nebenniere austretenden Blutes erforderlich sein. Die Bestimmung der Katecholamine und Metanephrine in diesen Blutproben ermöglicht Rückschlüsse darauf, ob ein Phäochromozytom in der rechten oder der linken Nebenniere vorliegt. Dies darf nie ohne vorherige vollstaendige Alpha-Blockade erfolgen (siehe „Behandlung” Seite 38). Bei anderen Tumorerkrankungen wird häufig mit einer langen Nadel eine winzige Probe des Tumorgewebes entnommen (Biopsie oder Punktion). Bei Brustkrebs lässt sich so zum Beispiel bestimmen, ob ein Knoten gut- oder bösartig ist. Bei Verdacht auf ein Phäochromozytom oder Paragangliom darf keine Biopsie durchgeführt werden, denn Tumormanipulation kann zu einer plötzlichen Katecholaminausschüttung führen. Dies kann lebensgefährliche Blutdruckkrisen nach sich ziehen und im Fall eines bösartigen Tumors zu einer Tumorzellverschleppung führen. 

Behandlung und Therapie

Patientinnen und Patienten mit Phäochromozytom oder Paragangliom können in den meisten Fällen durch operative Entfernung des Tumors oder der Tumore geheilt werden. Eine sichere Operation erfordert eine medikamentöse Vorbereitung, denn Phäochromozytome oder Paragangliome können bei Manipulation plötzlich große Mengen an Katecholaminen freisetzen. Ohne Vorbehandlung kann dies lebensbedrohliche Folgen haben.