Im Großen und Ganzen ein normales Leben
An dieser Stelle erzählt Sascha, wie er die Krankheit erlebt
Beginn der Erkrankung
Im Februar 2015 wurde ich (damals 12 Jahre) wegen einer Blockade meines Shunts operiert. Nach dieser OP hieß es, dass meine Hypophyse gereizt sei und ich Arznei nehmen müsse. Ich sollte bis Juni diese Arznei nehmen, danach wäre wieder alles okay. Das war zwar nervig, aber es sollte ja nicht lange sein.
Was leider nicht stimmte. Im Juni bekam ich nämlich gesagt, dass ich die Medis für immer nehmen muss. Ich war enttäuscht, genervt und traurig. Wieso das denn nun?
Es war schon nervig genug, dass ich nach vier Wochen Krankenhaus erst mal wieder fit werden musste. An Sport war gar nicht so richtig zu denken. Ich war total unfit, müde und lustlos. Dank ganz vielem Hydrocortison hatte ich neun Kilo zugenommen und fand das echt schlimm. Dann wurde es heiß draußen und ich sah so füllig aus wie das Michelin-Männchen. Das Minirin sorgte dafür, dass mein Körper viel Wasser einlagerte. Mann, hab ich mich gefühlt … Irgendwo hingehen, Kumpels treffen …? Nein, ich war einfach nur fertig!
Das wurde aber besser, dank unserer Kinderärztin und meiner Mutter. Die zwei haben ganz viel miteinander geredet und meine Mutter konnte mir vieles einfach besser erklären. Und dadurch wurde einiges leichter. Mittlerweile kannte ich auch die Namen meiner Krankheiten - nicht dass mir das viel geholfen hätte. Denn mal ehrlich, wer weiß schon was Hypophyseninsuffizienz, Nebennierenrindeninsuffizienz und Diabetes insipidus centralis sind? Erklär‘ das mal anderen, das ist gar nicht so einfach.
Der Umgang mit der Krankheit
In der Schule, beim Sport und bei Freunden wurde dann ausführlich darüber gesprochen, was ich habe und auf was zu achten wäre. Das war mir total unangenehm, denn ich wollte gar keine besondere Beachtung deswegen. Es war einfach anstrengend, belastend und unerfreulich, dass so viele im Umfeld Bescheid wissen mussten, damit im Notfall gehandelt werden könnte. Und was hieß überhaupt Notfall? Das hat mich total erschreckt und verunsichert. Hieße das wieder auf die Intensivstation, wenn ich einen Magen-Darm-Infekt hätte? Absolut nicht zu gebrauchen, wenn ich zu viel Sport machen würde, bei jedem kleinen Infekt ins Krankenhaus müsste und, und, und …?
Ich hatte Angst, dass ich nicht merken würde, was ein Notfall wäre. Auch das konnten wir klären und ich war erleichtert. Ich musste lernen auf meinen Körper zu hören und verschiedene Signale beachten. Dazu gehört, dass ich regelmäßig esse und trinke. Ansonsten stürzt mein Blutzucker ab und es geht mir schlecht. Im Laufe der Zeit habe ich das immer besser hinbekommen.
Ich bin ein Kämpfer! Deshalb sagte ich mir: „Sch …. drauf, ich will leben! Ich will alles machen, was ich mir vornehme.“
Ich habe also ganz schnell umgesetzt, dass ich für mich und meinen Körper zuständig bin. Ich wusste ja noch, wie es sich anfühlt, gesund zu sein. Zu merken, was gerade nicht stimmt (z.B. zittrig oder sehr müde sein) und dann etwas dagegen zu tun, wurde zu einer wichtigen Aufgabe. Dass ich viel ausprobieren soll, um zu erfahren, was Stress für meinen Körper ist, hatten mir die Ärzte schon empfohlen. Also dann …
Ich habe verschiedene Sportarten ausprobiert, auch um zu testen, was machbar ist und was nicht. Bedenken oder ein Nein war nicht die Antwort, die ich hören wollte.
Mit meinen Vorstellungen und Wünschen bin ich oft auf ein „Das geht nicht mit deiner Krankheit!“ gestoßen. Wer bitte schön sagt, dass das nicht geht? Wer hat es denn schon ausprobiert? Wurde mir nicht von verschiedenen Seiten gesagt, dass es viel zu wenig Erfahrungswerte gibt? Vom Reden und Wünschen alleine ändert sich aber nichts …
Ich bin ein sehr reiselustiger Mensch. Darauf sollte ich verzichten? Ganz sicher nicht! Bestimmt habe ich mein Umfeld ziemlich strapaziert und habe Bedenken nicht so ernst genommen. Aber durch viele Gespräche mit meiner Mutter lernte ich ihre Ängste kennen und sie konnte auch mich besser verstehen. Ich wollte und will doch eigentlich nur ganz normal behandelt werden und leben, trotz Krankheit!
Schnell habe ich verstanden, dass spontan handeln oder ein „Ich bin dann mal weg!“ nicht möglich sind. Ich muss ja die Arznei und meinen Easypod, eine automatisierte Hilfe für das Spritzen des Wachstumshormons, mitnehmen. Das fand ich oft ziemlich nervig, aber die Planung im Vorfeld ist eigentlich immer gleich. Egal, ob es zu einer Übernachtung zu Freunden geht oder ab in den Urlaub. Fragen wie „Wo ist das nächste Krankenhaus?“ oder „Wer übersetzt mir den Notfallplan jetzt in diese Sprache?“ sind mittlerweile Routine.
So war es auch kein Problem, alleine für vier Wochen zum Schüleraustausch nach Amerika zu fliegen. Das war 2019 ein richtiges Highlight und hat mich darin bestärkt, dass ich mir noch ganz viele Länder dieser Erde anschauen will und kann.
Klar gab es auch in der Vergangenheit die eine oder andere Situation, bei der ich überfordert war und nicht so recht wusste, wie ich handeln sollte. Dank meiner Ärztin, meiner Mutter und einer Endo-Assistentin haben wir aber auch diese Situationen gemeistert.
Ich weiß, dass ich mein Leben mit dieser Krankheit leben muss. Aber ich weiß auch, dass mit guter Kenntnis über die Krankheit, einem guten Körpergefühl und einer sehr guten Planung (so ziemlich) alles möglich ist.
Mittlerweile bin ich fast 18 Jahre alt und bin mir sicher, dass Selbstvertrauen, Mut und Zuversicht mir die Power geben, das Leben zu leben, wie ICH es mir wünsche.